Martin Amis: Im Vulkan

Martin Amis ist ein wahres Schwergewicht in der britischen Literaturszene – und seine Essays, die Daniel Kehlmann in Im Vulkan herausgibt, beweisen das. Hier trifft sprachliche Brillanz auf einen unerschrockenen Verstand sowie auf jede Menge Interesse an der Welt. So bewegen sich die in diesem Band versammelten Texte von Autorenporträts über die Filmszene bis hin zu vielseitigen politischen Betrachtungen. Der jüngste Text stammt von 2017 – hier lässt uns Amis an seinem Live-Besuch einer Rede von Donald Trump, deren Absurditäten und Widersprüchen teilhaben –, der älteste von 1980 (ein Porträt über Roman Polanski). Dazwischen geht es in mal nur wenige Seiten umspannenden, mal sehr ausführlichen Texten um das authentische Verhalten der Queen nach Prinzessin Dianas Tod, um sein großes literarisches Vorbild Nabokov, um den 11. September 2001, um Truman Capote, die Flüchtlingskrise, Tony Blair, noch mal Trump („Der Flegel mit dem Mikrofon“) und seine Wegbereiter, allen voran Bannon, und um die atomare Gefahr im Kalten Krieg. Und obwohl letzterer von 1987 stammt, fühlen sich die Gefahren, die Amis beschreibt, sehr real an, und man könnte Reagan fast mit Trump verwechseln. Da drängt sich mir schon die Frage auf: Sind wir in einer Zeitschleife gefangen? Einer Zeitschleife aus Dummheit, Ignoranz und Machtspielen zwischen Männern, die nicht genug Selbstbewusstsein haben und irgendwie nicht begriffen haben, dass auch Machtspiele reale Konsequenzen haben?

Auffällig ist, dass Amis’ Ton im Laufe der Zeit schärfer wird, offenbar musste er sich erst warm schreiben – oder altersweise werden. So interessant die älteren Texte sind, so richtig unterhaltsam wird es erst mit den neueren, wo Amis jede freundliche Zurückhaltung fallen lässt und Zunge und Stift spitzt. Es gibt zwei Kapitel, in denen er auf Fragen seiner Leser antwortet – sagen wir mal, nicht jede Antwort ist gleich höflich. Auch an Cervantes und James Joyce lässt er kein gutes Haar, dennoch spricht augenzwinkernde Zuneigung aus seiner Schelte.

Jedes Augenzwinkern fehlt allerdings, wenn er sich amerikanischen Präidenten im Allgemeinen und Trump im Speziellen zuwendet und dessen Bücher The art of the Deal und Great again! auseinandernimmt: „In seiner emotionalen Primitivität und intellektuellen Barbarei wäre das Trump-Manifest [Great again!] ein recht gelungener schlechter Scherz …“ – wenn das nicht alles so besorgniserregend wäre. Am Ende steht Trump „stolz auf den Ruinen der Partei. Die Frage ist: Schafft er es auch bei der amerikanischen Demokratie?“

In Großbritannien ist Martin Amis ein gefeierter Romanautor, auch wenn er für sein Verhalten von der Presse immer wieder gerügt wird, etwa was seine überzogenen Ansprüche an Verlagsvorschüsse oder Universitätshonorare angeht. Sein Roman Gierig wurde 2005 vom Time-Magazin als zu den besten englischsprachigen Roman zwischen 1923 und 2005 gehörend auserkoren, und The Times setzte ihn 2008 auf die Liste der 50 herausragendsten britischen Schriftsteller seit 1945. Ich hätte in erster Linie gern mehr Essays – lieber Daniel Kehlmann, bitte mehr herausgeben, danke.

Über den Autor: Martin Amis (* 1949 in Swansea, UK) ist der Sohn des erfolgreichen Romanciers Kingsley Amis. Er studierte Englische Literatur in Oxford und arbeitete anschließend als Literaturkritiker für den Observer, bevor er als Redakteur zu The Times wechselte. Seit 1979 ist Amis hauptberuflicher Schriftsteller und erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Würdigungen für sein literarisches Werk.

Über den Übersetzer: Joachim Kalka (* 1948 in Stuttgart) veröffentlicht ebenfalls essayistische Texte und übersetzt literarische und Sachtexte aus dem Englischen und Französischen. Auch er erhielt bereits mehrere Auszeichnungen.

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