Oyinkan Braithwaite: Meine Schwester, die Serienmörderin

Der Titel sagt es schon, hier gerate ich nicht in die Gefahr zu spoilern: Es geht um zwei Schwestern, und die eine ist eine Serienmörderin – zumindest kommt Korede dieser Verdacht, als sie zum dritten Mal von Ayoola angerufen wird, um eine Leiche zu beseitigen. Denn drei ist die entlarvende magische Zahl, oder?

Ayoola ist eine schwarze Witwe, sie angelt sich Verehrer, die sie mit Rosen, Geschenken und Urlaubsreisen überhäufen, und wenn es ihr zu bunt wird, bringt sie sie um – mit einem Messer, das einst ihrem Vater gehörte. Korede, die unscheinbarere und praktisch veranlagte Schwester, ist vor allem zu einem gut: hinter ihr aufzuräumen. Dabei werden die Gewissensbisse immer größer – und auch die Abscheu ihrer Schwester gegenüber. Der Gedanke, alles zu gestehen, kommt ihr mehr als einmal. Doch wenn Korede eines eingetrichtert wurde, dann, ihre kleine Schwester zu beschützen, den bewunderten Schwan, den ganzen Stolz der Mutter, die sehnsüchtig auf einen Schwiegersohn wartet.

Und während Korede noch aufpassen muss, dass die unbedachte, eitle Ayoola keine allzu auffälligen Instagram-Posts absetzt – da doch ihr Freund „vermisst“ wird und sie verrückt vor Sorge sein sollte –, während die Polizei rumschnüffelt und natürlich Korede ins Visier nimmt, hat Ayoola schon ein neues Ziel: Tade, ausgerechnet den Mann, an den Korede heimlich ihr Herz verloren hat.

Das weiß auch Ayoola, doch im grausamen Spiel mit den Gefühlen anderer ist sie eine Meisterin, nach außen hin schön und unschuldig, doch innerlich gerissener, als man auf den ersten Blick denken würde. Ein Grund mehr für Korede, sich zu entscheiden: Will sie Tade retten oder ihre Schwester beschützen? Sie versucht beides, doch niemand kann einen Spagat auf Dauer halten …

Meine Schwester, die Serienmörderin klingt vielleicht nach einer Krimikomödie, ist aber eine gar nicht heitere menschliche Tragödie. Denn die Beziehung zwischen den Schwestern ist alles andere als intakt, und auch sonst zeigen sich in allen zwischenmenschlichen Beziehungen unheilvolle Schieflagen, zwischen Mutter und Töchtern, zwischen Männern und den Schwestern, zwischen Koredes Kolleginnen und den Schwestern. Der Roman hat etwas von einem Kammerspiel, bewegt sich nur zwischen dem Zuhause der Schwestern und dem Krankenhaus, in dem Korede und Tade arbeiten, hin und her und schiebt alles Irrelevante beiseite. Dabei entblößt er die Oberflächlichkeit der Gesellschaft – auch der Frauen –, die in der wunderschönen Ayoola immer nur das Opfer sieht und in der nicht so hübschen Korede die Täterin, die ihre Schwester nicht genug liebt, beschützt, unterschützt … Als Leser*in bleibt einem nichts anderes übrig, als mit Bestürzung „zuzusehen“, wie sich keine der Figuren aus dieser gesellschaftlichen Erwartungshaltung befreien kann (oder natürlich will).

Über die Autorin: Oyinkan Braithwaite (* 1988 in Lagos, Nigeria) wuchs gleichermaßen in Nigeria und UK auf, studierte Jura und Kreatives Schreiben an der University of Surrey und der Kingston University, bevor sie nach Lagos zurückkehrte, wo sie heute als freie Autorin lebt. Meine Schwester, die Serienmörderin ist ihr Debütroman (nach mehreren Kurzgeschichten), mit dem sie neben diversen anderen Nominierungen direkt auf der Longlist des Booker Prize 2019 und der Shortlist des Women’s Prize for Fiction 2019 landete.

Über die Übersetzerin: Yasemin Dinçer (* 1983) studierte Literaturübersetzen und überträgt u. a. Paula McLain und Shirley Hazzard aus dem Englischen ins Deutsche.

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