P.B. Gronda: Straus Park

Vermutlich werden dieses Buch und ich keine Freunde. Leider.

P.B. Gronda, Straus ParkDer Cursor blinkt auffordernd, aber so richtig weiß ich gar nicht, wie ich dieses Buch besprechen soll, denn Verrisse mag ich nicht, für ein Lob reicht es nicht. Also fange ich mal mit dem Positiven an: Es ist nicht schlecht! Aber.

So richtig greifbar ist es auch nicht. Ich hatte das Gefühl, ich bräuchte einen Master in Psychologie, um die Figuren zu verstehen. Amos, der männliche Protagonist, hat die Fähigkeit zu kommunizieren völlig verloren, bricht seine Sätze ab, hat kluge, einfühlsame Gedanken, spricht sie aber nie aus, weil ihn immer plötzliche Sprachlosigkeit übermannt, und wirkt dadurch auf seine Umwelt wie ein arrogantes, nutzloses Arschloch. Nur Julie sieht etwas anderes in ihm. Was, weiß ich aber nicht. Sie verliebt sich in ihn, obwohl daheim in London ein Verlobter auf sie wartet. Sie versucht Amos, der ihr seine Welt zu Füßen legt, zu vergessen – erfolglos natürlich. Doch irgendwann ist es für eine zweite Chance einfach zu spät …

Viel spannender – obwohl man tatsächlich nicht sagen, dass das Buch nicht einen sehr filigranen, aber wirkungsvollen Spannungsbogen hat – ist die zweite Zeitebene: Ein deutsch-jüdisches Ehepaar flieht vor den Nazis nach Amsterdam, baut sich ein neues Leben auf, dann bricht auch hier der braune Terror über sie herein und sie tauchen mit falschen Persönlichkeiten unter. Charlotte, die Starke in der Beziehung, schwört sich, alles, wirklich alles zu tun, um sich und ihren Mann zu retten. Dazu gehört auch eine Beziehung zu einem einflussreichen Nazi-Offizier, der sehr am Geld und den Kunstwerken ihrer zum Teil reichen Freunde interessiert ist – oder auch am Leben ihrer armen Freunde.

Charlotte ist für mich die interessanteste Figur des Buches. Eine Frau, die sehenden Auges alles verrät, um zu überleben. Ohne schlechtes Gewissen liefert sie jeden, den sie kennt, an die Gaskammern aus. Und als Krönung bedient sie sich auch an deren Reichtum. Ein böser Mensch? Eher nicht. Haben sie nicht eher die Umstände zu der gemacht, die sie ist? Blauäugig ist das bessere Wort für ihren Charakter, denn die Reue kommt, wenn auch spät. Erst als die Menschen, die ihr richtig nahe stehen, festgenommen werden, begreift sie, was sie seit Jahren tut.

Insgesamt hat der Roman interessante Tendenzen, ist auf eigene Art auch mitreißend, es geht um Liebe und das (unerfüllte) Bedürfnis danach und um total verkorkste Psychen. Die Umsetzung hat mir aber keinen Spaß gemacht: zu holprig die Dialoge, zu kaputt einfach jede Figur, zu vorhersehbar die Zusammenhänge.

Über den Autor: P.B. Gronda (* 1981 in Belgien) lebt in Italien und Leuven und arbeitet als Kolumnist für verschiedene Zeitungen und als Schriftsteller. Mit seinem Debüt schaffte er es auf die Shortlist des Academica Debütantenpreises und feiert seitdem große Erfolge in Belgien und den Niederlanden.

Über die Übersetzerin: Marlene Müller-Haas (* 1948) studierte niederländische Philologie, Kunstgeschichte und Germanistik und ist Preisträgerin des Else-Otten-Übersetzerpreises.

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